Die Landeskulturkonferenz MV 2025

Unter dem Motto „Flagge zeigen: Kultur stark machen!“ kamen am 06.11.2025 rund 300 Kulturschaffende, Engagierte und Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung im Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg zusammen.

Auf Einladung von Kulturministerin Bettina Martin diskutierten die Teilnehmenden über die Zukunft der kulturellen Grundversorgung in Mecklenburg-Vorpommern – und darüber, wie Kunst und Kultur in Stadt und Land gleichermaßen zugänglich, planbar und teilhabeorientiert bleiben können, auch in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche.

Kulturelle Grundversorgung als gemeinsame Aufgabe

Nach dem musikalischen Auftakt “if i can’t dance, it’s not my revolution” des Theaters und Orchesters Neubrandenburg Neustrelitz eröffnete Kulturministerin Bettina Martin die Konferenz mit einem klaren Plädoyer für kulturelle Vielfalt, Kunstfreiheit und demokratische Verantwortung. Martin zeigte auf, dass Demokratie in vielen Bereichen unter Druck geraten sei, und appellierte, Kunst und Kultur widerstandsfähig gegen antidemokratische Angriffe zu machen. Aufgabe von Kulturpolitik sei es, die Freiheit der Kunst und Kultureinrichtungen als offene Orte der Begegnung zu verteidigen. Neubrandenburg sei bewusst als Ort der Konferenz gewählt worden, um ein Zeichen für Offenheit und demokratische Haltung zu setzen – auch im Hinblick auf den Rücktritt von Oberbürgermeister Silvio Witt 2024. Die Ministerin unterstrich, dass kulturelle Grundversorgung keine Frage des Wohnorts sein dürfe, sondern allen Menschen im Land gleichermaßen zustehen müsse. Sie verwies auf die in Mecklenburg-Vorpommern geschaffenen Strukturen wie Beratungsangebote, Sonderfonds, die Fachstelle für Kulturelle Teilhabe sowie die Sicherung der Kulturförderung im Landeshaushaltsplan 2025/26 und dankte den zahlreichen Ehrenamtlichen und Akteur:innen, die die kulturelle Vielfalt des Landes tragen.

Silvio Witt berichtete in seiner anschließenden Keynote über die Verteidigung von Bibliotheken als offene, kommerzfreie Orte und über rechte Angriffe auf queere Literatur. Er betonte, dass Kunstfreiheit stets verteidigt werden müsse, auch mit Blick auf die Geschichte. Humor und Leichtigkeit, so Witt, seien wichtige Mittel gegen einfache Antworten und populistische Parolen. Kultur dürfe wehtun, weil sie zum Nachdenken anregt und Veränderung ermöglicht.

 

Das Eröffnungspodium mit Bettina Martin (Kulturministerin), Marion Schael (Landeskulturrat) , Imke Freiberg ( Forum Kulturverbände MV) und Antje Theise ((Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes) widmete sich der Frage, wie kulturelle Grundversorgung in Zeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche gesichert werden kann. Einigkeit herrschte darüber, dass Kultur als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge verstanden werden muss – mit verlässlichen Strukturen, Beteiligungsmöglichkeiten und Planungssicherheit für die Akteur:innen vor Ort.

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden der Konferenz die Möglichkeit, aus sechs Workshops zu wählen und sich zu den Themen Daseinsvorsorge, Regionalentwicklung, Teilhabe und Engagement auszutauschen. Die Inhalte kamen zu großen Teilen aus einem offenen Call for Participation im Vorfeld der Konferenz.

Das Rahmenprogramm in der Markthalle bot die Gelegenheit, unterschiedliche Kulturakteur:innen aus dem gesamten Bundesland und ihre Angebote kennenzulernen – von Sprachoper über Performancekunst bis hin zum Demokratiebus der Landeszentrale für politische Bildung. Viele Teilnehmende nutzen den Raum auch für das Netzwerken untereinander.

Engagiert für Kultur

Im Fachgespräch „Engagiert für Kultur“ stand das Ehrenamt im Mittelpunkt. Diskutiert wurde, wie freiwilliges kulturelles Wirken gestärkt, gewürdigt und sichtbarer gemacht werden kann. Die Runde zeigte deutlich: Ohne das Engagement vieler Freiwilliger wäre die kulturelle Vielfalt des Landes nicht denkbar. Moderator Eric Klausch, Frauke Lietz (Kultur Land MV), Morena Piro (Netzwerk Fête de la Musique) und Hannelore Kohl (Ehrenamtsstiftung MV) fassten zusammen: Es brauche Wertschätzung und Sichtbarkeit, politische Verantwortung und langfristige Unterstützung, um dieses Fundament zu erhalten. Besonders die Gemeinschaft wurde hier als wichtige Säule des Ehrenamts und damit auch der kulturellen Grundversorgung hervorgehoben.

Neue Wege auf dem Land

Wie Kultur auch jenseits der Städte lebendig bleibt, zeigte das Format „Neue Wege auf dem Land“. Juli Katz (Autorin), Dr. Elisabeth Nehring (Fachstelle Tanz) und Jana Sonnenberg (Landesverband Freie Darstellende Künste) präsentierten Projekte, die zeigen, wie Kultur ländliche Räume erreicht – durch Lesereisen, Tanzprojekte oder mobile Residenzen. Im Austausch wurde deutlich: Künstler:innen wirken hier oft als Kulturvermittler:innen, die neue Räume der Begegnung schaffen und Menschen verbinden. Zugleich wurde betont, dass kulturelle Arbeit auf dem Land sowohl Engagement als auch Widerstandsfähigkeit erfordert. Offenheit, Vertrauen und regionale Förderstrukturen sind entscheidend.

Kultur macht Stadt und Kultur mit Plan

In den beiden Fachgesprächen „Kultur macht Stadt“ und „Kultur mit Plan“ wurde Kultur als Gestaltungsfaktor in der Stadt- und Regionalentwicklung beleuchtet. Im Gespräch „Kultur macht Stadt“ mit Thomas Werner (Kulturamt Rostock), Dr. Kristina Koebe (Stadtgespräche), Reinhard Huß (Die Platte lebt) und Dirk Ketzschmar (Kulturamt Schwerin) ging es um Segregation in Rostock und Schwerin; und wie man ihr mit Mitteln der Kultur begegnen kann. Anhand von Beispielen wurde gezeigt, wie kulturelle Teilhabe Stadtgesellschaften stärken kann. Deutlich wurde: Kultur schafft Verbindung, wenn sie nicht als Fremdkörper in Stadtteilen landet, sondern auf bestehende Strukturen aufbaut – manchmal sind es einfache Türöffner wie Gesprächsbänke oder Kunst im öffentlichen Raum, die nachhaltige Wirkung entfalten.

Im Format „Kultur mit Plan“ mit Stefanie Kracht (Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten), Dr. Ramona Dornbusch (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege MV), Steffi Behrendt (Kulturamt Stralsund) und Frank Dornbrach (KuNO – Kunst und Kulturnetzwerk Nord) wurden Kulturentwicklungsplanungen, Kulturkonzepte und Beteiligungsprozesse diskutiert, die Kultur langfristig in staatliche und kommunale Planungen integrieren sollen. Die Sprecher:innen hielten fest: „Keine falsche Bescheidenheit – Kultur gehört zur Daseinsvorsorge wie Tourismus oder Naturschutz.“

Brücken bauen mit Kultur

Das Fachgespräch mit Paulina Mehner (Kulturbörse Gnoien), Florian Zeisler (Kulturschule Malchin), Katharina Gronow (Moderation), Anja Mirasch (Stadtbibliothek Greifswald) und Ute Neumann (Landeskoordinierungsstelle für Demokratie und Toleranz bei der Landeszentrale für politische Bildung MV) stellte die Frage, welche Rolle Kultur für Demokratie, Identität und gesellschaftlichen Zusammenhalt spielt. Kultur wurde dabei als demokratischer Ort verstanden – als Raum, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft und Meinung in Austausch treten können. Ob Bibliotheken, Märkte, Kulturhäuser oder Soziokultur: Diese sogenannten „dritten Orte“ schaffen Gelegenheiten für Begegnung, Diskurs und politische Bildung. Die Teilnehmenden betonten, dass kulturelle Orte vor Ort entscheidend sind, um Demokratie erfahrbar zu machen und Desinformation entgegenzuwirken. Bibliotheken und Kulturschulen übernehmen dabei zunehmend auch Aufgaben der Vermittlung von Medienkompetenz. „Ein offener Ort für alle heißt nicht Grenzenlosigkeit, sondern Verantwortung“, hieß es in der Diskussion.

Kunst und Kultur stark machen

Wie sich freie und vielfältige Kunst stärken lässt, wurde in einem offenen Fishbowl-Format von Kati Mattutat (Koeppenhaus Greifswald), Rachel Hanf (CSD Grevesmühlen), Ramona Seyfarth (Künstlerin), Imke Freiberg (Landesverband Soziokultur) und Michael Steiger (Aktionsbündnis Demokratisches MV) diskutiert. Zentrale Botschaften lauteten: Offen bleiben, zuhören, Kooperation fördern. Ob im Austausch mit dem CSD Grevesmühlen oder mit Künstler:innen aus unterschiedlichen Projekten – immer wieder wurde deutlich, dass Kultur Verbindungen schafft, wenn sie bekannte Bubbles verlässt und neue Netzwerke aufbaut. Kati Mattutat hielt fest: „Uns eint mehr, als uns trennt.“

Resümee

Mit der Landeskulturkonferenz 2025 ist es gelungen, den Begriff “Kulturelle Grundversorgung” mit Leben zu füllen und zu zeigen, wie Regionalplanung, Engagement und Ehrenamt, Stadtteilarbeit und Kulturelle Bildung einen Beitrag leisten; und welche Schritte Kulturpolitik und -Verwaltung gehen können, um diese Arbeit dauerhaft abzusichern.

Nicht nur die Herausforderungen und Gefahren, die von undemokratischen Bestrebungen, demografischen Prozessen und knappen Haushaltskassen ausgehen, wurden aufgezeigt. Auch Gute Praxis, neue Ideen für ländliche und städtische Räume, für teilhabeorientierte Kulturarbeit und freie Kunst wurden vorgestellt und gaben Anlass zur Inspiration und Diskussion.